Die sechs Schwäne
Ein König jagte in einem großen Wald, verirrte sich und konnte keinen Ausgang finden, da kam er endlich zu einer Hexe, die bat er, sie möge ihn wieder heraus leiten. Die Hexe aber antwortete, das geschähe nimmermehr, er müsse darin bleiben und sein Leben verlieren, und nur das eine könne ihn erretten, dass er ihre Tochter heirate. Dem König war sein Leben lieb, und in der Angst sagte er ja; die Hexe brachte ihm das Mädchen, es war jung und schön, er konnte es aber nicht ohne Grausen und ohne eine heimliche Furcht ansehen; doch wollte er, was er versprochen hatte, halten. Die Alte führte dann beide auf den rechten Weg, und daheim wurde die Hexentochter seine Gemahlin. Der König aber hatte noch sieben Kinder von seiner ersten Frau, sechs Buben und ein Mädchen, und weil er fürchtete, es könne ihnen von der Stiefmutter ein Leid angetan werden, brachte er sie in ein Schloss, dass er mitten in einem Walde stehen hatte. Es stand so verborgen, dass niemand den Weg dahin wusste, und er selber hätte ihn nicht gefunden, wenn ihm nicht eine weise Frau einen Knäuel von Garn gegeben, wenn er den vor sich warf, wickelte er sich auf und zeigte ihm den Weg. Weil aber der König seine Kinder gar liebhatte, ging er oft hinaus, da wurde die Königin neugierig, und wollte wissen, was der König so viel allein in dem Wald zu tun habe; sie forschte die Diener aus, und diese verrieten ihr das ganze Geheimnis. Das erste war nun, dass sie sich mit List den Knäuel verschaffte, dann nahm die kleinen Hemdchen, und ging hinaus in den Wald. Der Knäuel zeigte ihr den Weg, und als sie sechs kleinen Prinzen sie von weitem kommen sahen, freuten sie sich, meinten ihr Vater käme und liefen heraus auf sie zu. Da warf sie über jeden ein Hemdchen, und kaum hatte es ihren Leib berührt, da waren sie in Schwäne verwandelt, hoben sich auf in die Luft und flogen davon. Sie meinte nun sie hätte alle Stiefkinder weggeschafft, und ging wieder heim, und so war das Mädchen, das in seiner Kammer geblieben war, errettet. Am andern Tag kam der König in das Waldschloss, da erzählte es ihm, was geschehen war, und zeigte ihm noch die Schwanenfedern, die von ihren sechs Brüdern auf den Hof gefallen waren. Der König erschrak, gedachte aber nimmermehr, dass die Königin die böse Tat vollbracht, und weil er besorgte, die Prinzessin möge ihm auch geraubt werden, wollte er sie mit sich nach Haus nehmen. Sie fürchtete sich aber vor ihrer Stiefmutter und bat ihn, er möge sie nur noch die Nacht in dem Schloss lassen; in der Nacht aber entfloh sie, und gerade zu in den Wald hinein.
Als sie auch den ganzen Tag bis zum Abend fortgegangen war, kam sie zu einer Wildhütte. Sie stieg hinauf und fand eine Stube mit sechs kleinen Betten; weil sie nun müde war, legte sie sich unter eins und wollte da die Nacht zubringen. Bei Sonnenuntergang aber kamen sechs Schwäne durch das Fenster hereingeflogen, setzten sich auf den Boden und bliesen einander an, und bliesen sich alle Federn ab, wie ein Tuch sich abstreift, und da waren es ihre sechs Brüder. Sie kroch unter dem Bett hervor, und die Brüder waren beides erfreut und betrübt, sie zu sehen: „du kannst hier nicht bleiben, sagten sie, das ist eine Räuberherberg, wenn die Räuber vor ihrem Zuge heimkommen, dann wohnen sie hier. Alle Abende können wir uns aber eine Viertelstunde lang die Schwanenhaut gänzlich abblasen, und auf solange unsere menschliche Gestalt haben, hernach aber ist es wieder vorbei. Wenn du uns erlösen willst, musst du in sechs Jahren sechs Hemdlein aus Sternblumen zusammennähen, während der Zeit aber darfst du nicht sprechen und nicht lachen, sonst ist alle Arbeit verloren.“ Und als die Brüder das gesprochen hatten, war die Viertelstunde herum, und sie waren wieder in Schwäne verwandelt.